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PRODUZIERT BEITRÄGE
Diplomarbeit
Der Journalismus befindet sich im Wandel. Drei unabhängige Redaktionen im Kanton Luzern – der Willisauer Bote, das 041 Kulturmagazin und der Entlebucher Anzeiger – zeigen, wie unterschiedlich der Umgang mit Herausforderungen und Chancen sein kann.
06.01.2025
Letztes Jahr wurden mindestens 300 Journalistinnen und Journalisten gekündigt. Es herrschte grosse Unsicherheit, denn gefühlt war vor dem Sparhammer niemand mehr sicher. Die Prioritäten im Alltag verschoben sich. Die üblichen Mittagstischgespräche wurden von Gerüchten überschattet, und so richtig wohl fühlte sich kaum noch jemand. Wer auf einer der betroffenen Redaktionen angestellt war, wartete nur noch auf den Tag X. Und dann? Als angestellte Person gab es genau zwei Möglichkeiten: Entweder wurdest du gekündigt, oder jemand anderes.
Am 17. Januar 2024 traf es mich. Mir wurde aus wirtschaftlichen Gründen gekündigt. Mein freier Tag war dahin. Ich war der Überzeugung, dass ich zu den Praktikanten und Lernenden gehören würde, die von den Sparmassnahmen ausgenommen wurden. Doch mein noch laufendes Studium zählte wohl nicht.
Die kommenden Wochen und Monate verbrachte ich mit der Suche nach einer neuen Stelle im Journalismus. Doch ich war nicht der Einzige, und damit weiterhin ein Teil der Kosten meines Studiums übernommen wurde und ich überhaupt noch weitermachen konnte, gab es zusätzliche Anforderungen. Die Suche nach einem Arbeitgeber, der vom BAKOM konzessioniert ist, meinen Dialekt akzeptiert und nicht selbst vor der nächsten Kündigungswelle steht, schien aussichtslos. Ob ich wollte oder nicht, ich musste mich mit meiner Zukunft im Journalismus auseinandersetzen – und versuchte deshalb, das grosse Ganze zu verstehen. Warum werden gerade jetzt so viele Journalist:innen gekündigt? Gibt es Medienhäuser, die ausbauen? Kann ich mich irgendwie vor einer weiteren Kündigung schützen? Und vor allem: Will ich unter diesen Umständen überhaupt noch im Journalismus bleiben? Fragen, die ich mir mit der Zeit beantworten konnte.
Ein Dozent sagte einst, dass uns noch mindestens fünf Jahre bevorstehen, in denen weiter abgebaut wird – wir sollten also nicht auf bessere Zeiten hoffen. Wer nicht unbedingt Journalist:in sein will, solle lieber gleich aufhören. Ich war ziemlich schockiert, doch mit der Zeit wurde mir klar, warum er das gesagt haben könnte. Auch sein Arbeitgeber baute im letzten Jahr diverse Stellen ab, und als Ressortleiter musste er nach der Zeit mit uns direkt weiter zu einer Infoveranstaltung, in der kommuniziert werden sollte, wie es mit dem Personalbestand auf seiner Redaktion weitergeht. Für viele Journalist:innen war das letzte Jahr eine nervenzerreissende Tortur. Wenn 55 Branchenkolleg:innen ihren Job verlieren mit der Begründung: «Der Journalismus muss sich mit Journalismus finanzieren», obwohl Millionengewinne ausgeschüttet werden, löst das unweigerlich existenzielle Fragen aus. Wägt man die Kündigungen und die Gewinne gegeneinander ab, habe ich persönlich wenig Verständnis für diesen Entscheid. Doch die Haltung, dass der Journalismus selbsttragend sein sollte, teile ich durchaus. Genau das führt uns aber zum grundlegenden Problem.
Zu wenig Umsatz auf Grund von sinkenden Abo- und Werbeeinnahmen sind der Hauptgrund für die über 300 Kündigungen. Innert 20 Jahren haben sich die Werbeeinnahmen halbiert und glaubt man der Forschung des deutschen Wissenschaftlers Dr. Martin Andree, sieht es auch in den nächsten Jahren nicht gut aus. Unser Dozent am MAZ hatte wohl gar nicht so unrecht. Laut Martin Andree werden bis 2029 drei Viertel der Werbeeinnahmen an digitale Plattformen fliessen.
Die Zeiten, in denen journalistische Inhalte für richtig viel Geld sorgten, sind vorbei. Doch es geht nicht allen gleich. Aufgrund der vielen Kündigungen fiel es schwer, noch an eine Zukunft zu glauben – doch die gibt es. Nicht alle Medienhäuser bauen ab, und nicht alle haben die gleichen Sorgen. Nehmen wir als Beispiel den Kanton Luzern. Der Marktführer CH Media baute hier 2024 rund 20 Stellen ab. Dabei wurden die Onlineplattform PilatusToday und der Anzeiger Luzern eingestellt. Als Angestellter von CH Media löste diese Entwicklung ein verzerrtes Bild der Branche aus. Denn in Luzern gehört CH Media mit dieser Bilanz eigentlich zur Minderheit. 2024 endeten zwar auch das Kulturmagazin Kultz und die Lokalzeitung Rontaler, aber abgesehen davon wurden bei allen anderen keine Stellen gestrichen. Vereinzelt baut man sogar aus oder verbuchte Gewinne.
Entgegen der Tendenz des nationalen Werbemarktes verkauft das Lokalblatt weiterhin genügend Werbung, und auch die Abo-Zahlen sind stabil.
Der Entlebucher Anzeiger ist die Regionalzeitung im Luzerner Entlebuch. Sie erscheinen zweimal wöchentlich, jeweils am Dienstag und Freitag, mit einer Auflage von 7’546 Exemplaren erreichen sie über 25’000 Leserinnen und Leser. Die Zeitung deckt Themen aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Sport und Kultur ab und richtet sich an die Bewohnerinnen und Bewohner des Entlebuchs und die angrenzenden Gebiete.
Es könnte bald das Ende sein. Seit Jahren schreibt das Luzerner Kulturmagazin rote Zahlen.
Das 041 – Das Kulturmagazin ist laut eigenen Aussagen die Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft in der Zentralschweiz. Sie erscheinen zehnmal jährlich und bietet eine Plattform für das künstlerische und kulturelle Schaffen der Region Luzern, Nid- und Obwalden, Schwyz, Uri und Zug. Mit einer Auflage von 3’300 Exemplaren erreichen sie rund 10’000 Leserinnen und Leser. Die Zielgruppe sind Kulturinteressierte und Kulturschaffende sowie eine breite Öffentlichkeit, die sich für kulturelle Themen und Veranstaltungen in der Zentralschweiz interessiert.
Das Vertrauen in die Lokalzeitung ist gross und so erhofft man sich eine sichere Zukunft.
Der Willisauer Bote ist die Lokalzeitung das Amt Willisau, das Wiggertal und berichtet auch über Kantonale Themen aus Luzern. Sie erscheinen zweimal wöchentlich, jeweils am Dienstag und Freitag, mit einer Auflage von 7’792 Exemplaren erreichen sie rund 32’000 Leserinnen und Leser. Die Zeitung berichtet über lokale Nachrichten, Ereignisse und Themen aus Politik, Wirtschaft, Sport und Kultur und richtet sich an die Bevölkerung der genannten Regionen.
SRF hat bereits angekündigt, bis 2026 weitere Stellen abzubauen – doch wie gesagt, nicht überall sieht es gleich aus. Während manche Redaktionen wachsen, kämpfen andere ums Überleben. Sich hierbei ein klares Bild zu verschaffen, gelingt nicht immer und passiert auch nicht automatisch. Auf meiner Entdeckungsreise habe ich aber genau das versucht und mich gefragt: Wie steht es um meine Perspektiven und die Sicherheit im Journalismus? Diese Recherche hat mir gezeigt, dass Journalismus nicht überall am Abgrund steht – es gibt Hoffnung, funktionierende Modelle und mutige Redaktionen, die trotz allem an eine Zukunft glauben. Doch eines ist klar: Wer in dieser Branche bleiben will, muss besonders in dieser Zeit sehr flexibel sein, sich ständig weiterentwickeln und vielleicht auch neue Wege finden. Einen Plan B zu haben, kann ich nach diesem Jahr auf jeden Fall empfehlen.
Ob sich die Medienlandschaft in den kommenden Jahren stabilisieren oder weiter ins Ungewisse driften wird, bleibt abzuwarten. Doch eines ist sicher: Solange es Journalist:innen gibt, die für ihre Arbeit brennen, wird es auch Journalismus geben.
Liebesbriefe und Anfragen